HP-Viren können nicht nur für Frauen gefährlich werden, und die nötigen Vorsorgeuntersuchungen sind teuer
Mit Ende zwanzig verlangte das Thema Sex und Gesundheit bei mir besondere Aufmerksamkeit, denn eine Freundin, die ein paar Jahre älter als ich war, musste ins Krankenhaus wegen Gebärmutterhalskrebs. Sie war lange nicht beim Frauenarzt gewesen, und mittels PAP-Abstrich hätte der Krebs schon früher erkannt werden können. Sie ermahnte alle ihre Freundinnen, regelmäßig zum Frauenarzt zu gehen. Ich beherzigte dies, und auch bei mir gab es einen Befund, der weitere Schritte erforderte.
PAP-Test als Vorsorge
Der PAP-Test gibt Auskunft darüber, ob die Zellen gesund sind und normal aussehen oder ob sie Mutationen aufweisen. In diesem Fall wird das Ergebnis in fünf Stufen von PAP I bis PAP V eingeteilt. PAP I existiert in der Regel nur bei Jugendlichen vor der sexuellen Aktivität, denn diese verändert die Scheidenflora. Ab PAP III ist eine Vorstufe von Gebärmutterhalskrebs erreicht, die Situation muss beobachtet werden, denn der Befund kann sich von alleine wieder verbessern oder auch verschlechtern, dies hängt ebenso vom allgemeinen Zustand der Frau ab, ihrer psychisch-emotionalen Gesundheit sowie dem Immunsystem. Ich hatte in Hamburg, nach meiner Einschätzung, das Glück, über viele Jahre bei einer sehr guten Frauenärztin in Behandlung zu sein. Dafür nahmen viele Frauen stundenlange Wartezeiten in Kauf, aber sie wussten, das Warten lohnte sich, weil sich hier für sie Zeit genommen wurde. Sie riet mir dazu, mich intensiv mit meinem Frauenkörper auseinanderzusetzen, beispielsweise mittels Literatur zum Thema in Kombination mit Selbstuntersuchungen der Körperteile. Einige ihrer Patientinnen hätten so ihr PAP-Ergebnis verbessern können. Ich konnte diese Idee nur bedingt nachvollziehen, denn von feministischen Ansätzen zum Thema Gesundheit hatte ich bis dahin wenig erfahren. Als über längere Zeit – erst wenn drei Abstriche hintereinander ohne Auffälligkeiten sind, kann mit dem normalen Vorsorgezyklus von einer Untersuchung pro Jahr weitergemacht werden – keine Verbesserung eintrat, riet sie zu einem operativen Eingriff (Konisation), bei dem verändertes Gewebe entfernt wird. Dieser wird ambulant durchgeführt und ist ein Routineeingriff.
In Deutschland endet die Kostenübernahme
Der PAP-Abstrich, der jährlich von der Krankenkasse für Frauen ab 35 Jahren übernommen wurde, ist eine wichtige Errungenschaft für die Frauengesundheit und die Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs. Laut der Patientinnen-Leitlinie der Deutschen Krebshilfe erkranken in Deutschland etwa 4600 Frauen pro Jahr an Gebärmutterhalskrebs, der zwar am häufigsten bei Frauen zwischen 40 und 59 Jahren auftritt, aber durchaus auch bei jüngeren Frauen. Mit Januar 2020 hat das deutsche Bundesgesundheitsministerium den bis jetzt jährlich von der Krankenkasse übernommenen PAP-Test für Frauen ab 35 kostenpflichtig gemacht, und die Kosten werden jetzt nur noch alle drei Jahre übernommen. Das HPV-Screening (Test) ist ohnehin kostenpflichtig und ist lediglich ein PAP-Abstrich, der nicht gezielt nach Erkrankung, sondern nach Infektion und Ursachen sucht.
Dies reiht sich ein in einen gesellschaftlichen Backlash in Frauenfragen, den wir derzeit erleben. Scherien Ingeborg Müller hat daraufhin im Sommer 2021 eine Unterschriftensammlung über Change.org gestartet, in der es heißt:
„Die Kosten pro Test betragen ca. 60 Euro und müssen von den Patientinnen ab jetzt privat getragen werden. […] Vorsorge ist die beste Sorge. Sie erspart den Patientinnen und ihren Angehörigen nicht nur großes Leid im Falle einer diagnostizierten Gebärmutterhalskrebs-Erkrankung, sondern entscheidet oft über Leben und Tod. […] Die Einführung des PAP-Tests hat wesentlich dazu beigetragen, die Heilungs- und Überlebenschance deutlich zu verbessern. Die Sterblichkeit bei Gebärmutterhalskrebs konnte somit in den letzten fünfzig Jahren um zwei Drittel reduziert werden.“
Die Abschaffung der Kostenübernahme würde Frauen dazu drängen, zukünftig zwischen anfallenden Kosten in Alltag und Familie und ihrer Gesundheit zu entscheiden. Bei den vielen Vorsorgeuntersuchungen, die Frauen eigentlich benötigen würden, gehört der PAP-Abstrich noch zu den günstigen. In meiner Frauenarztpraxis in Wien werden 2021 beispielsweise folgende Preise abgerufen: Chlamydien-Screening 45 Euro, HPV-Screening 80 Euro, Verhütungsberatung bis 55 Euro, Aufklärungsgespräch Spirale 70 Euro, Spiralentfernung 70 Euro, Ultraschall 55 Euro. Hier wird deutlich, dass Gesundheit zunehmend eine Frage von Klasse und finanziellen Mitteln wird. Wichtig ist außerdem die Ursache für Gebärmutterhalskrebs, denn die Veränderungen der Zellen am Gebärmutterhals, die zervikale intraepitheliale Neoplasien, sind chronische Infektionen mit humanen Papillomviren (HPV). Es gibt hunderte, und einige sind gefährlich. Beim Gesundheitsportal vital.de heißt es: „Knapp 80 Prozent aller Menschen waren wenigstens einmal im Leben mit den HP-Viren infiziert. Die Viren werden durch Geschlechtsverkehr übertragen“, also durch Schmierinfektion, über Geschlechts-, Oral- und Analverkehr. Laut der Studie „An Economic Evaluation of a School Based Sexually“ (2002) schützen Kondome nur etwa zu 50 Prozent vor gefährlichen HPV-Infektionen. Mit der Anzahl verschiedener Sexualpartner steigt auch das Risiko einer Infektion. Für den Mann sind die für die Frauen krebserregenden HP-Viren in der Regel nicht schädlich.
Kein Thema für Männer?
Erst seit 2006 gibt es in Deutschland eine HPV-Impfung. Diese ist kostspielig, in Österreich kostet sie bei meiner Frauenärztin 230 Euro, jeweils dreimal, also knapp 700 Euro, und wird von den gesetzlichen Krankenversicherungen nur bei Mädchen und Jungen zwischen neun und 17 Jahren bezahlt (in Österreich ist sie nur von neun bis zwölf Jahren kostenfrei, wird bis 15 Jahre zu einem vergünstigen Selbstkostenpreis angeboten). Skandal genug, dass eine solche Impfung nur bei jungen Menschen übernommen wird, die größtenteils noch gar keine Vorstellung von Sexualität und dem Nutzen einer solchen Impfung haben. Schlimmer noch ist, dass Männer – egal welchen Alters – meist noch nicht mal wissen, dass sie Überträger dieses Virus sein können. Immer wieder hatte ich mit Partnern Debatten darüber, dass sie sich auf HPV testen lassen müssen, und klärte die Männer darüber auf, was sie in Sachen Frauengesundheit wissen müssen und dass sie sich an den Kosten der Verhütung und Vorsorge beteiligen sollen. Männer, die darüber etwas wissen, erfahren es meist von betroffenen Frauen. Darüber schreibt auch Ulf Schleth in der taz vom 7. Oktober 2018:
„Nach meinem Gespräch mit Sabine beschloss ich, mich auf HPV testen zu lassen. Die Vertretung meiner Hausärztin guckte mich verständnislos an: ‚Das testet man eigentlich nur bei Frauen. Die können davon Krebs bekommen.‘ Wie jetzt?, dachte ich, Kondome helfen nicht wirklich und ich kann nicht mal herausfinden, ob ich einen HP-Virus habe, um eine Ansteckung zu vermeiden? So aus Verantwortung? Ein deutliches Ohnmachtsgefühl machte sich bemerkbar. Ist es in Ordnung, wenn Männer wild in der Gegend herumvögeln und Frauen mit Krebs anstecken? Ich bekam keine akzeptable Information auf meine Fragen.“
Schleth entschloss sich daraufhin, Institute, Gynäkolog*innen und Urolog*innen zu befragen, und führt weiter aus, dass laut dem Epidemologischen Bulletin des Robert-Koch-Instituts die HP-Viren mehrheitlich nach ein bis zwei Jahren erfolgreich vom Immunsystem bekämpft werden; nur in zehn Prozent der Fälle bleiben sie länger – manchmal Jahrzehnte – im Körper. Dann allerdings können die Viren zu Zellveränderungen führen und mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit zu Krebs führen, was durch ein schwaches Immunsystem sowie durch Rauchen und Alkoholgenuss begünstigt wird. Und auch bei Männern kann eine HPV-Infektion Folgen haben: „Bei Männern wird HPV als Auslöser für mindestens 600 Anal-, 250 Penis- und 750 Mund- oder Rachenkarzinome pro Jahr angegeben“, so Schleth. 2020 haben Wissenschaftler*innen am Deutschen Krebsforschungszentrum entdeckt, dass HP-Viren das Immunsystem täuschen, was die Ausbreitung der Viren und Krebsentstehung begünstigen kann. Und bestimmte Typen wie etwa HPV 8 oder HPV 38 können die Entwicklung von weißem Hautkrebs begünstigen, einer der häufigsten Formen bei hellhäutigen Menschen weltweit.
Für Männer werden die Kosten eines HPV-Tests (Abstrich aus der Harnröhre) bisher gar nicht übernommen. Das hat auch damit zu tun, dass Männer diesbezüglich keine soziale Bewegung oder Interessenvertretung aufgebaut haben, vergleichbar mit den feministischen Initiativen und Kämpfen zur Verbesserung von Frauengesundheit.
Aufklärung ist nicht von Dauer
Durch viele Jahrzehnte feministischer Forschung wie Aktivismus könnte man glauben, dass Frauen heute über diese Belange aufgeklärt sind. Mein Eindruck ist ein anderer. Es ist meist nur der Fall, wenn Frauen selbst einmal betroffen waren. Und auch dann wird darüber nicht gern geredet. Erkämpftes Wissen und Aufklärung sind zu selten von langer Dauer, so scheint es. Die Gründe dafür sind vielfältig, es liegt u. a. an der geringeren gesellschaftlichen Wertschätzung der Frau und im Aufbau unseres Gesundheitssystems begründet, in dem Frauen und deren spezielle Bedürfnisse in Sachen Frauengesundheit systematisch aus Kostengründen vernachlässigt werden. Frauen sind heute im Gesundheitsbereich dabei vor allem auf sich selbst und ihr eigenes Wissen bzw. das ihres Umfeldes angewiesen. In meiner individuellen Erfahrung wurde über Sexualität und Gesundheit unter Frauen, häufiger und offener gesprochen als unter Männern, was zumindest dafür sorgte, dass individuelles Wissen individuell weitergegeben wurde. Aber auch diese Entwicklung scheint mir rückläufig, vor allem im Verhältnis zur Zunahme wechselnder Geschlechtspartner*innen durch u. a. Online-Dating, Sex-Positive-Events und steigende gesellschaftliche Akzeptanz einer polygamen Lebensweise. Damit steigt das Risiko, sich zu infizieren, und deshalb sollte steigendes Wissen und eine verantwortungsvolle Kommunikation damit Hand in Hand gehen.
HPV-Tests sind in den meisten Fällen kostenpflichtig, und sie sind obendrein nicht absolut zuverlässig. Schleth führt an, dass Männer wie Frauen auf einen HPV-Test bestehen sollten, auch wenn er kostenpflichtig ist. Bei einem positiven Ergebnis sollte unbedingt eine weitere Untersuchung eingefordert werden. Allerdings kann man gegen eine bestehende HPV-Infektion nichts tun. „Aber alle Geschlechtspartner können sich durch die Impfung schützen“, findet Schleth. Die Schutzfunktion ist zwar nicht so effektiv, wenn man schon infiziert war oder ist, aber sie wirkt gegen HPV-Typen, mit denen man noch nicht infiziert war. Wer zu alt für die kostenfreie Impfung ist, muss die Kosten – rund 500 Euro – selbst tragen. Hartnäckig hält sich die Meinung, dass die HPV Impfung keinen Sinn mache, wenn man schon einmal infiziert wurde. Aber Schleth kommt in seiner Recherche zu dem Schluss, dass alle von ihm befragten Expert*innen, die Zulassungsstellen in den USA und die FAQ des Robert-Koch-Instituts sich einig sind, dass die Impfung auch in höherem Alter Sinn ergibt. Schleth findet es erleichternd, dass es eine Möglichkeit gibt, sich und andere zu schützen. Allerdings fehlen ihm die notwendigen 500 Euro, so wie vielen anderen auch. Neben Urolog*innen und Gynäkolog*innen, die regelmäßig aufgesucht werden sollten, bieten Gesundheitszentren und Gesundheitsämter Informationen und Beratung zu sexuell übertragbaren Infektionen an. Wichtig scheint mir vor allem der Erfahrungsaustausch zwischen und unter den Generationen wie Geschlechtern. Nur wenn häufig darüber gesprochen wird, kann sich Wissen, manchmal schmerzhaft erfahrenes, zu Krankheiten und Vorsorge nachhaltig verbreiten.
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